Mahn- und Gedenkstätte Veckenstedter Weg Wernigerode

Der Harz, inmitten Deutschlands gelegen, wurde auf Grund seiner natürlichen Bedingungen durch die nationalsozialistische Führung im Zweiten Weltkrieg zu einem wichtigen Standort der Rüstungsindustrie ausgebaut. Über 10.000 Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge arbeiteten und lebten unter oft menschenunwürdigen Bedingungen allein in der Stadt Wernigerode und ihren umliegenden Dörfern.
Ab April 1941 wurden in der Stadt Zwangsarbeitslager eingerichtet, das erste am Veckenstedter Weg 43. Dem folgten viele weitere kleinere und größere Lager, und das größte am Ziegenberg.
Am 23. März 1943 wurde das Lager am Veckenstedter Weg als Zwangsarbeitslager geräumt in ein Außenkommando des KZ "Buchenwald" umgewandelt, um den stetig steigenden Arbeitskräftebedarf zu sichern. Statt der 300 Zwangsarbeiten erhöhte sich die Zahl der dort untergebrachten im Laufe des Jahres auf 800 Menschen. Nachdem von Ende Oktober an 300 der KZ-Häftlinge auf andere Außenkommandos verteilt worden waren, verbrachte man am 24.12.1944 die restlichen 500 Häftlinge in das neue Lager des Zweigwerkes "Steinerne Renne".

Im ehemaligen Zwangsarbeiterlager und späterem KZ-Außenkommando am Veckenstedter Weg entstand 1974/75 unter der Federführung des Landkreises eine Gedenkstätte. 

 

Das Lager
Das Lager bestand aus sieben Baracken im eigentlichen Lagerbereich und einer achten Baracke für die SS-Wachmannschaften außerhalb des Lagers. Es wurde von einem doppelten Stacheldrahtzaun, dessen innerer Zaun elektrisch geladen war und eine Höhe von ca. 3,50 m hatte, umgeben. Insgesamt drei Wachtürme boten der SS-Wache einen Überblick über das Lagerinnere.

Der Alltag der Häftlinge
Die KZ-Häftlinge kamen aus dem Konzentrationslager "Buchenwald", welches auf dem Ettersberg, nahe der Stadt Weimar eingerichtet worden war. Bei der Auswahl des Standortes in Wernigerode spielte die günstige Lage eine große Rolle (Sicherheit, Abgeschiedenheit, Nähe der Produktionsstätte). 
Durch insgesamt 52 Transporte erfolgte ein Austausch mit dem Stammlager Buchenwald, um immer arbeitsfähige Kräfte zur Verfügung zu haben. Der Arbeitstag der Häftlinge reichte vom frühen Morgen bis in die Nacht. Vor und nach der Arbeit fanden im Lager Zählappelle statt. Einsatzgebiete waren das Rautalwerk, bergmännische Arbeiten im Galgenberg, Gleisbauarbeiten und nicht zuletzt der Ausbau des Lagers. Innerhalb des Rautalwerkes, das vor allem Zylinder- und Motorengehäuse für Flugzeug-, Fahrzeug-, Schnell- und Sturmbootmotoren herstellte, arbeiteten die Häftlinge in der Gießerei, Entkernerei und Putzerei, der Kontroll- und Versandhalle sowie im Leichtmetallwerk. Die Arbeit war schwer und gesundheitsgefährdend. Häftlinge, die diesen Strapazen nicht gewachsen waren, wurden in das Stammlager zurück deportiert und durch gesunde Häftlinge ersetzt. Die Listen belegen, dass in den eineinhalb Jahren des Bestehens dieses Außenkommandos insgesamt 1.144 Häftlinge eingesperrt waren.

 

Aufbau des Außenkommandos "Steinerne Renne"
Im November 1944 errichteten die Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge an der Steinerne Renne in Hasserode ein neues Außenkommando. Die im Frühherbst in den ehemaligen Fabrikhallen des Agenta - Schokoladenwerkes eingerichteten Wernigwerke benötigten für die Erweiterung und Steigerung ihrer Produktion mehr Arbeitskräfte. Neben den Armaturen für verschiedene Flug-zeugtypen begann dort im Januar 1945 die Produktion der JUMO 4 - Triebwerke (Düsentriebwerke für Junkersmotoren, welche für die Me 262 (Messerschmitt), einer der neuen Wunderwaffen des Dritten Reiches benötigt wurden. Am zweiten Weihnachtsfeiertag des Jahres 1944 wurde das neu errichtete Lager mit 500 Häftlingen vom Veckenstedter Weg bezogen und das frühere Lager am Veckenstedter Weg offiziell aufgelöst. 
Die Wachmannschaft veringerte sich von 65 SS-Männern (Veckenstedter Weg) auf 49 SS-Männer(Steinerne Renne). In der letzten Phase wurde der größte Teil der Wachmannschaften durch in die SS aufgenommene Luftwaffenangehörige und Fremdarbeiter aus verbündeten Staaten (Rumänien, Ungarn, Kroatien) abgelöst. Diese waren oftmals mit der eigenen Lage unzufrieden und bereit auf Absprachen zum Vorteil der Häftlinge einzugehen.

 
Die Auflösung des Außenkommandos und der Todesmarsch
Mit dem Heranrücken der amerikanischen Truppen erging der Befehl zur Evakuierung des Außenkommandos, die am 10. April 1945 begann. Gegen 23.00 Uhr verließen 502 KZ-Häftlinge mit ihren Bewachern das Lager. Nach drei Tagen erreichten sie Calbe, wo 300 KZ-Häftlinge zurück gelassen wurden, da sie das Tempo nicht mithalten konnten. Sie kamen am nächsten Tag frei. Die anderen noch lebenden Häftlinge wurden zu Fuß nach Köthen getrieben, von wo es dann mit Lastkraftwa-gen an den Stadtrand von Dresden ging. Nach einem Fußmarsch nach Pirna, wo sie am 14.04. ankamen, ging es dann weiter nach Schlottwitz. Von dort war die Verschiffung auf der Elbe nach Aussig vorgesehen. Durch mindestens einen weiteren Todesmarsch, aus Aschersleben kommend, reichte die Kapazität der Transportmittel nicht, so dass ein Teil der KZ-Häftlinge wieder nach Pirna zurück musste. Von diesen 60 Häftlingen erreichten 57 das Lager in Leitmeritz, wo Sie dann nach einigen Tagen in die Freiheit erlangten. Die von Schlottwitz verschifften Häftlinge wurden von Aussig mit der Bahn über Prag und Pilsen in Richtung Mauthausen transportiert. Am 08.05. stoppten tschechische Partisanen den Zug und befreiten ca. 180 KZ-Häftlinge, darunter eine unbekannte Zahl von Häftlingen des Wernigeröder Außenkommandos.

 

Die heutige Gedenkstätte
Heute sind auf dem Gelände noch 3 Holz- und 2 Steinbaracken vorhanden. Die Bauhüllen sind allesamt original. Eine der drei Holzbaracken weißt auf einer Hälfte noch die Originalstruktur auf. Die drei Räume "Untersuchungszimmer, Krankenbau und Unterkunft der sowjetischen Häftlinge wurden nach alten Planen und Beschreibungen ehemaliger Häftlinge wieder hergestellt. Seit 2018 ist im hinteren Bereich ein Sonderausstellung zu sehen, die den Aufbau der Baracken und deren Veränderungen unter der Berücksichtigung der unterschiedlichen Verwendungen bis heute dokumentiert. In einer zweiten Baracke befindet sich eine Dauerausstellung mit Dokumenten und Exponaten aus dem Lager. 
In den beiden anderen Gebäuden sind die Verwaltung, Archive, Bibliotheken und Schulungsräume untergebracht. Außerdem befindet sich auf dem Gelände der Gedenkstätte ein Mahnmal, welche an die Opfer des Nazi-Terrors erinnert. Regelmäßig finden hier Gedenkfeiern und Kranzniederlegungen statt.

An der Gedenkstätte hat sich ein Förderkreis gebildet, der sich neben der Erhaltung der Gedenkstätte auch um deren öffentliche Wahrnehmung und Akzeptanz bemüht. Mit eigenen Veranstaltungen versucht er das Profil der Gedenkstätte zu schärfen und leistet vor allem durch spezielle eigene Forschungsprojekte eigene Beiträge zur Geschichtsaufarbeitung.
Außerdem hat der Verein "Lebensspuren e.V. - Interessengemeinschaft der Lebensbornkinder in Deutschland sowie Vereinigung zur Aufarbeitung des Lebensborn" hier seinen Sitz.


Bildungsangebote
Die Gedenkstätte hält für Schulen, Jugend- und Reisegruppen spezielle Angebote vor. Dies sind vor allem Führungen und Vorträge, die nach vorheriger Absprache organisiert werden können. Es ist auch grundsätzlich möglich, Vorträge in den Schulen oder anderen öffentlichen Gebäuden durchzuführen.
Die Dauer der Führungen ist flexibel zwischen 45 und 90 Minuten möglich.
Als zusätzliche Angebote stehen einige Filmbeiträge zur Verfügung. Themen der Filme und Vorträge sind unter anderem Zwangsarbeit, Rassenpolitik, Lebensborn und Holocaust.
Die Geschichte des Lagers und die Lebensbedingungen der Häftlinge werden in zwei original erhaltenen Baracken vermittelt. Drei Räume können in ihrem ursprünglichen Zustand besichtigt werden. (Unterkunftsraum, Krankenzimmer und eine Sanitätsstube). Die ständige Ausstellung informiert über die Geschichte des KZ-Außenlagers am Veckenstedter Weg, des KZ-Außenkommandos Steinerne Renne und die Todesmärsche. Insbesondere werden die enge Verbindung von KZ und Zwangsarbeit für die Rüstungsindustrie sowie die Inhaftierung der Häftlinge in Wernigerode thematisiert.
Es werden auch Wechselausstellungen zu verschiedenen Themen sowie Projekttage werden organisiert.
Die Nutzung der Bibliotheken (Nationalsozialismus und Aufarbeitung Nationalsozialismus, Neofaschismus und DDR-Geschichtsaufarbeitung sind nach Absprache zugänglich.

In der Gedenkstätte können zu Preisen von 1,50 bis 10,00 Euro auch verschiedene Broschüren erworben werden.

 

Kontakt:
Mahn- und Gedenkstätte Wernigerode
Veckenstedter Weg 43
38855 Wernigerode
Telefon/Fax: 03943 6321-09

Öffnungszeiten:
April bis Oktober:
Montag - Freitag von 9 bis 17 Uhr

November bis März
Montag - Freitag von 9 bis 15 Uhr

 

Außerhalb der Öffnungszeiten sind Führungen und Zutritt nur nach telefonischer Voranmeldung über 03943 6321-09 oder 0151 2896-2765 möglich!